AfD-Chef Tino Chrupalla war im Landtagswahlkampf in Ingolstadt zusammengebrochen und in ein Krankenhaus gebracht worden. An seinem Arm fanden Ärzte eine mysteriöse Einstichstelle. Der Fall ist bis heute nicht aufgeklärt. Nun kritisiert der Bundestagsabgeordnete das ZDF. Hat der Sender, der Chrupalla an diesem Tag begleitete, den Ermittlern aus Ingolstadt Beweismaterial vorenthalten? Ein Blick in die Ermittlungsakten wirft Fragen auf.
AfD-Chef Tino Chrupalla lieferte am Dienstagabend einen starken Auftritt bei Markus Lanz. Trotz der mittlerweile bekannten „Alle gegen einen“-Konstellation setzte der Bundesvorsitzende der Oppositionspartei einige inhaltliche Punkte und ließ sich auch vom ZDF-Moderator nicht aus der Ruhe bringen. Beinahe unter ging an diesem Abend ein Vorwurf Chrupallas in Richtung des Mainzer Senders, der nun richtig Fahrt aufnimmt.
Unterschlug das ZDF entscheidendes Videomaterial?
In der Talkshow hatte Chrupalla beinahe beiläufig von der Attacke auf ihn im Oktober 2023 in Ingolstadt berichtet. Dort war der 48-Jährige bei einer Wahlkampfveranstaltung der AfD Bayern zu Gast. Doch dieser Besuch endete für Chrupalla im Krankenhaus. Zwar wurde eine mysteriöse Einstichstelle am Arm des AfD-Politikers gefunden, Ermittlungen zum Angriff jedoch nach kurzer Zeit eingestellt. Das ZDF, das Chrupalla an diesem Tag begleitet hatte, übergab den Ermittlungsbehörden später seine Aufzeichnungen des Tages: „Es wurden aber Schnitte vorgenommen und es fehlen Fragmente“, so der AfD-Chef bei Lanz. Der Mainzer Sender widersprach prompt und behauptete, das gesamte Videomaterial zur Verfügung gestellt zu haben.
Ermittlungsakten: „Fehlende Videosequenzen des ZDF“
Am vergangenen Abend mischte sich nun der Journalist Philippe Debionne in die Geschichte ein und erklärte, in Teile der fraglichen Ermittlungsakten eingesehen zu haben. In den Zeitungen „Nordkurier“ und „Schwäbische Post“ finden sich Originalauszüge aus besagten Akten, die neue Fragen aufwerfen. So geht es in einem „Aktenvermerk“ der Kriminalpolizeiinspektion Ingolstadt konkret um die Vollständigkeit des übersendeten Videomaterials durch den öffentlich-rechtlichen Sender. Wörtlich heißt es hier: „Fehlende Videosequenzen des ZDF und Sichtung der neuerlichen Sequenz.“ Darüber hinaus: „Bereits am 05.10.2023 wurde das Video „231005-schaefer-begruessung-Chrupalla-afd-ingolstadt-plz* als Zusammenschnitt der aus Sicht des ZDF relevanten Szenen – mit Herr MdB Chrupalla – an die KPI (Kriminalpolizeiinspektion) Ingolstadt übermittelt. Nach Bitten der Sachbearbeitung wurden die gesamten Aufnahmen des ZDF, mit Dateinamen „231006-afd-ausspielung-fuer-polizei-zdf“, am 06.10.2023 nachträglich zur Verfügung gestellt.“ Doch das ist noch lange nicht das Ende.
„Bei der übermittelten Gesamtaufnahme fehlt eine Sequenz“
Denn in der Akte heißt es an späterer Stelle: „Im Laufe der mehrmaligen Sichtungen wurde am 11.10.2023 durch den Unterzeichner festgestellt, dass bei der übermittelten Gesamtaufnahme eine Sequenz fehlt.“ Es sei „im ersten Zusammenschnitt des ZDF ein Aufeinandertreffen des MdB Chrupalla mit dem Zeugen XXXXX kurz zu erkennen (Dauer ca. 4 Sekunden). Da diese Szene in den Gesamtaufzeichnungen fehlt, wurde nochmals an das ZDF herangetreten und schriftlich um Prüfung der vorhandenen Aufzeichnungen gebeten“. Laut Aktenvermerk konnte bei der anschließenden Überprüfung festgestellt werden, dass die „Szene tatsächlich für die Berichterstattung abgeklammert war.“ Auch bei der erneuten Übersendung weiteren Materials vom Mainzer Sender an die zuständige Kriminalpolizei war das Material unvollständig, heißt es in den Akten.
E-Mailverkehr: Im „Gesamtvideo“ fehlt diese Szene“
Interessant zeigt sich auch der E-Mailverkehr zwischen einem Ermittler und einer Mitarbeiterin des ZDF. Der Polizeibeamte schreibt darin:
„Jetzt habe ich nur noch einmal eine Nachfrage zu den beiden Videos, da mir bei mehrmaligen Sichten aufgefallen ist, dass die zweite übermittelte Datei auch nicht vollständig sein kann.“ Und weiter: „Hintergrund ist, dass im Zusammenschnitt bei Minute 16:21:29 ein Aufeinandertreffen mit einem Bürger zu sehen ist. Im ‚Gesamtvideo‛ fehlt diese Szene jedoch und es erfolgt ein Umschnitt von 16:20:48 auf eine andere Szene um 16:21:32.“
Zwar heißt es später: „Generell liegen uns alle nötigen Sequenzen vor.“ Eine Lücke scheint es dennoch zu geben: „Ich möchte dies trotzdem kurz mit ihnen abklären, woran das liegen kann. Ich denke, Sie wissen selbst um das aktuelle öffentliche Interesse und die politische Bedeutung. Daher möchte ich weder, dass Ihnen – sprich dem ZDF – noch uns etwas nachgesagt werden kann.“ Und weiter: „Entschuldigen sie den Mehraufwand, aber prüfen sie dies bitte nochmals.“
ZDF dementiert Vorwürfe
Laut des AfD-Chefs erfolgte keine Reaktion des Mainzer Senders mehr. Das ZDF wiedersprach bereits Dienstagnacht: „Dazu stellt die Chefredaktion des ZDF fest: Entgegen der Behauptung von Herrn Chrupalla hat das ZDF das gesamte Material ungeschnitten der Staatsanwaltschaft übergeben.“ Jedoch wurde dieses Statement am Mittwochnachmittag auch noch einmal verändert. Ein souveränes Verhalten sieht auf jeden Fall anders aus.