Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat in der ARD-Sendung „Hart aber fair“ vor einer erneuten Coronawelle gewarnt und sich für verpflichtende Maßnahmen wie eine Masken- und Testpflicht in Innenräumen ausgesprochen. Widerspruch gab es allen voran von Zeit-Reporter Martin Machowecz, der den schlechten Zustand in den deutschen Krankenhäusern als Folge politischen Versagens und nicht aufgrund von Corona ausgelöst sieht. Die Unantastbarkeit Lauterbachs scheint selbst im regierungstreuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk endgültig gebrochen.
Bis vor wenigen Monaten war er der unantastbare Gesundheitsexperte der linksgrünen Journaille in Deutschland. Egal wie falsch die Vorhersagen zur Corona-Pandemie von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auch waren, immer wieder erhielt der 59-Jährige eine Bühne im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und dürfte unter breiter Zustimmung der im ergebenen Journalistenrunden seine Forderungen zu einer restriktiveren Pandemie-Politik zum Besten geben. Nachdem der Ukraine-Konflikt und der Inflationswahnsinn das Thema Corona vom Thron der wichtigsten Themen der Deutschen gestoßen haben, wird Lauterbach seltener von Markus Lanz und Co. angerufen. Am gestrigen Abend kehrte Lauterbach nun zurück ins TV und dürfte in der ARD-Sendung „Hart aber fair“ zum Thema „Corona-Brennpunkt Krankenhäuser: Zermürbt und angeschlagen“ referieren. Doch, so wurde es auch bei Frank Plasberg offensichtlich, schlägt dem angeblichen Gesundheitsexperten mittlerweile mehr Gegenwind entgegen als vor wenigen Monaten, als Lauterbach von seinen Anhängern nahezu vergöttert wurde. In der ARD-Sendung stellte sich allen voran ein Zeit-Journalist gegen die Panikmache Lauterbachs, dessen Unantastbarkeit endgültig gebrochen scheint.
Lauterbach: „Was ist uns der Weihnachtsmarkt wert ohne Maske?“
Schon in der kurzen Vorstellungrunde, in der Gastgeber Plasberg seine Gäste mit der von ihnen gewählten Sicht der Dinge anmoderiert, werden Erinnerungen an die vergangenen Corona-Jahre laut. Die Zahlen werden steigen und es sei Zeit für moderate Schutzmaßnahmen, um zu einem späteren Zeitpunkt nicht „drastischer“ reagieren zu müssen, wird Lauterbach aus dem Off zitiert. Die ersten Sendungsminuten werden zu einem erneuten Flashback für die Zuschauer in die Jahre 2020 und 2021, als keine Talkshow ohne den angeblichen Gesundheitsguru, der mittlerweile der Bundesgesundheitsminister ist, auskam. Mit beinahe bedrohlichem Unterton wirft der SPD-Politiker mit Fragen um sich. „Was ist uns der Weihnachtsmarkt wert ohne Maske?“, „Wie viele Belastungen habe ich auf den Intensivstationen? „Wie stark sind die Kliniken ausgelastet?“ Zudem rechne Lauterbach mit neuen hochansteckenden Varianten, beispielsweise der BQ 1.1. Falls die Fallzahlen steigen, wovon der Bundesgesundheitsminister stark ausgeht, sei beispielsweise eine Testpflicht für Innenräume wieder einzuführen: „Dann schmeckt der Wein nicht schlechter.“
„Ich bin, wenn ich Herrn Lauterbach so zuhöre, zunehmend verzweifelt.“
Bis vor wenigen Wochen wären Lauterbachs Worte wohl vollumfänglich abgenickt und seiner Expertise gehuldigt worden. Doch diese Zeiten scheinen glücklicherweise vorbei. Zwar erhält der Bundestagsabgeordnete noch vereinzelt Zustimmung, bei Plasberg von Christina Berndt von der Süddeutschen Zeitung. Doch ist der Widerspruch mittlerweile enorm, selbst in der normalerweise regierungstreuen Journalistenszene. Martin Machowecz von der Zeit kann sich schon während Lauterbachs Ausführungen ein Grinsen nicht verkneifen und holt nach dessen Vortrag zum Gegenschlag aus: „Ich bin, wenn ich Herrn Lauterbach so zuhöre, zunehmend verzweifelt.“ Deutschland sei in einer Lage, in der das Virus viel weniger tödlich als früher verlaufe und weniger schwere Krankheitsverläufe zu verzeichnen seien. Die Menschen hätten andere Sorgen: „Wir haben eine Situation, in der die Leute von multiplen Krisen völlig eingeengt sich fühlen.“ Corona sei eine gute Möglichkeit zu zeigen, auch einmal etwas zuzulassen: „Und weil es die Lage hergibt, gibt es keine Legitimation für weitere Grundrechtseingriffe.“ Die Politik sollte nicht versuchen, jeden Krankheits- und Todesfall zu verhindern und sich stattdessen trauen, Lebenslust wieder zuzulassen.
Lauterbach: „Es sterben pro Tag 140 Menschen pro Tag an Corona“
So viel Freiheitswille ist Lauterbach ein Dorn im Auge. „Es sterben pro Tag 140 Menschen Corona“, wenn die Fallzahlen stark ansteigen, wären es mehr. Als Moderater Plasberg genauer nachhakt, ob die Toten an oder mit Corona gestorben seien, kommt Lauterbach ins Schwimmen. Ebenso bei einer Nachfrage zu Übersterblichkeit, die Lauterbach wohl unwidersprochen auf Corona schieben möchte, Plasberg aber darauf hinweist, dass die Ursache dafür nicht belegt sei. Gerade an dieser Stelle der Sendung wird deutlich, dass ein gezieltes Nachhaken der vielen Moderatoren, die Lauterbach in der Vergangenheit in ihren Talkshows begrüßten, schon ab 2020 wünschenswert gewesen wäre. Der Schlagabtausch zwischen dem Gesundheitsminister und dem Zeitjournalisten ist derweil noch nicht zu Ende. Wohl um sich aus der Situation zu retten, beginnt Lauterbach die Diskussion zu moralisieren. „Das ist so, als würde ich sagen: Die Leute haben jetzt andere Sorgen, sollen die Älteren doch an Corona versterben.“ Auch die älteren Menschen müssten geschützt werden, auch wenn das nicht jedem gefalle, der jünger sei und feiern möchte, so Lauterbach. Machowecz antwortet: „Wir leben in einem Leben voller Lebensrisiken.“ Corona sei nicht mehr das, was es zu Beginn der Pandemie war. Der Grippe-Corona-Vergleich, vor wenigen Monaten noch vollkommen verpönt, sei nun völlig legitim.
„Es wird auf die Corona-Welle geschoben, dass wir überlastet sind“
Interessant wird es noch einmal zu einem späteren Zeitpunkt, als Pflegerin Lisa Schlagheck aus ihrem Berufsalltag berichtet. „Was mich an dieser Debatte stört, ist, […] dass das so ein bisschen auf die Corona-Welle geschoben wird, dass wir überlastet sind. Meiner Meinung nach ist das eine falsche Annahme.“ Die Überlastung resultiere vor allem aus Personalnotständen, die politisch herbeigeführt wurden und einer Ökonomisierung des Gesundheitswesens. Genug Baustellen für den Gesundheitsminister, der sich weniger mit Corona und mehr mit dem Personal im Gesundheitswesen beschäftigen sollte. In Bedrängnis gerät Lauterbach zusätzlich wegen seiner früheren Forderung, Schulen und Kindertagesstätten wegen Corona zu schließen. Reue zeigt der Gesundheitsminister deswegen nicht, doch wird auch hier deutlich, dass der 59-Jährige mit seinen Vorhersagen ins Blaue in Zukunft nicht mehr so leicht davonkommen wird. Die Zeit, in der der Corona-König Immunität genoss, sind wohl endgültig vorbei.