Wie ein Nachrichtenunternehmen, das Einblick in die Ermittlungsakten der Berater-Affäre des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) erhielt, ausführlich berichtet, könnte es im Zuge der Affäre in der RBB-Führung zu schweren rechtlichen Verstößen bis hin zu gezielten Vereinbarungen zum Rechtsbruch gekommen sein. Die Vorwürfe hinsichtlich potenzieller Korruption wiegen schwer.
Besonders beziehen sich die zusätzlichen Anschuldigungen auf die Verstrickungen des Senders rund um den Immobilien-Management-Berater Martin Lepper. Denn dieser bekam, wie auch andere Berater, vom RBB in den letzten drei Jahren außergewöhnlich viele lukrative Aufträge zugeteilt. Ermittlungen gegen Teile des Senders und die ehemalige Intendantin Patricia Schlesinger betreffen ebenfalls die Frage, aus welchen Gründen Lepper so lange bevorzugt wurde.
Ermittlungsakten, die den Vorgang betreffen, legen nun nahe, dass neben der skandalträchtigen Schlesinger wohl auch die gesamte Geschäftsleitung des RBB in die Berater-Affäre involviert war. Nach Ansicht der Dokumente kann gar die Vermutung angestellt werden, dass die Geschäftsleitung potenzielle Rechtsbrüche regelrecht durchsprach, um Lepper weiter beauftragen zu können.
Bevorzugte der ehemalige Chef des RBB-Verwaltungsrats einen privaten Kontakt bei der Vergabe von Berateraufträgen?
Doch worum geht es konkret? 2018 plante die ehemalige Intendantin Schlesinger einen Neubau auf einem Grundstück des RBB in Berlin-Charlottenburg. Als wesentlicher Antreiber des Projektes kristallisierte sich der damalige Leiter des RBB-Verwaltungsrats, Wolf-Dieter Wolf, heraus. Über einen Bekannten gelangte Wolf an den Kontakt von Lepper, den er Schlesinger nachdrücklich empfahl.
Zur Erinnerung: Wolf und Schlesinger pflegten ein vertrauensvolles, enges Verhältnis, das letztlich in einem Gehalt plus Bonuszahlungen von mehr als 350.000 Euro pro Jahr für die 61-Jährige gipfelte. Zwischen Wolf und Schlesingers Ehemann gab es ferner weitere berufliche, zweifelhafte Verstrickungen. Ein teurer Dienstwagen und ein luxuriös eingerichtetes Büro deuten zudem darauf hin, dass Schlesinger auch darüber hinaus schalten und walten konnte, wie sie es wollte. Den ganzen Skandal können Sie hier nachlesen. Doch auch einige Wochen später zeigte sich die ehemalige ARD-Vorsitzende nicht reumütig, sondern verteidigte ihr Fehlverhalten sogar noch.
Fall Lepper: Wurden rechtliche Vorgaben seitens des RBB missachtet bzw. gezielt umgangen?
In der Mitte des Jahres 2019 wurde Lepper schließlich vom RBB eingesetzt und war fortan kaum mehr vom Sender wegzudenken. So wurde der Berater u.a. damit beauftragt, sich mit der weiteren Planung des Digitalen Medienhauses (DMH) auseinanderzusetzen. Brisant: Eigentlich müssen Dienstleistungen für öffentliche Auftraggeber ab einem Auftragswert von damals 214.000 Euro in ganz Europa ausgeschrieben werden. Im Fall Lepper umging der RBB dieses Procedere aber laut internen Unterlagen offenbar, verlängerte den Auftrag des Beraters mehrfach und stattete ihn den Angaben zufolge insgesamt mit stattlichen 350.000 Euro aus. Offenbar machte sich besonders Wolf für Lepper stark.
An anderer Stelle wird erneut deutlich, dass der Immobilien-Management-Berater womöglich fachlich unbegründet bevorzugt wurde. In Vergabeakten ist zu lesen, dass der RBB Mitte 2020 eine Berater-Ausschreibung in die Wege leitete, die die „übergeordnete Immobilienstrategie“ betreffen sollte. Doch das Verfahren wurde wenig später wieder beendet. Die Begründung liegt laut den Dokumenten darin, dass Lepper das teuerste Angebot ablieferte und somit den Auftrag auf diesem Wege nicht erhalten hätte.
Vorwurf der „Verabredung zum Rechtsbruch“ gegen die Geschäftsleitung des RBB
Schier unfassbar ist hingegen, was den Ermittlungsakten zufolge im Anschluss passierte. Intendantin Schlesinger und die zuständigen Direktoren sollen im Oktober 2020 diskutiert haben, wie Lepper dennoch das Projekt weiter unterstützen darf. Die Geschäftsleitung zog in diesen Gesprächen Szenarien in Erwägung, die Vergaberechtsexperten heute als ähnlich zu einer „Verabredung zum Rechtsbruch“ betiteln.
Ein Direktor soll beispielsweise den Vorschlag geäußert haben, den von Lepper geforderten hohen Stundensatz dadurch für die schriftlichen Dokumente zu reduzieren, dass der Berater einen Pauschalvertrag und im weiteren Verlauf deutlich mehr Arbeitsstunden bescheinigt bekommt. Verena Formen-Mohr, ehemalige Leiterin der RBB-Intendanz, soll außerdem den Vorschlag unterbreitet haben, Lepper über die Tochterfirma RBB Media GmbH anzustellen.
Aus den Unterlagen geht weiter hervor, dass ein Teilnehmer der Gesprächsrunde in dem Zusammenhang von dem Anschein „schlimmer Klüngelei“ sprach, sodass allen Beteiligten bekannt gewesen sein dürfte, über welche Mittel sie verhandeln. Abschließend entschied sich die RBB-Spitze tatsächlich dafür, keine neue Ausschreibung zu beginnen, sondern engagierte Lepper über die genannte Tochterfirma als „Berater für die Campus-Entwicklung“.
Darüber hinaus sind noch weitere Verflechtungen in den Geschäftsbeziehungen bezüglich verschiedenster Projekte auffindbar. So wirkten zum Beispiel Wolf, Lepper und ein Rechtsanwalt namens Luther gemeinschaftlich an einem RBB-Projekt, aber auch an anderen Aufträgen mit. Aus einer internen Kostenaufstellung des RBB aus dem Jahre 2022 wird ersichtlich, dass der Sender Honorare von 890.000 Euro für die Luther Rechtsberatungsgesellschaft mbH vorsah.
Trotz all der Verwerfungen, die nun möglicherweise Stück für Stück zutage treten, sind noch immer drei Direktoren, die an den zweifelhaften Aufträgen für Lepper mitwirkten, Teil der Geschäftsleitung des RBB. Wieder einmal wird die potenziell kriminelle Energie im öffentlich-rechtlichen Sender deutlich. Offenbar zählen private Kontakte, eigener Profit und Luxus-Sucht mehr als seriöse, authentische, staatsferne Berichterstattung. Das haben folgerichtig immer mehr ehemalige Zuseher von ARD und ZDF erkannt und sich deswegen abgewendet.