Raketeneinschlag in Polen

Der Stand zum Raketeneinschlag in Polen am Morgen des 16. November 2022

Raketeneinschlag in Polen

Das Geschoss, das am Abend des 15. November 2022 im Osten Polens einschlug und das Leben von zwei Männern forderte, ist wohl eine Flugabwehrrakete aus der Ukraine. Dies berichten am Morgen übereinstimmend verschiedene Nachrichtenagenturen mit Verweis auf US-Quellen. Am gestrigen Abend sah die Informationslage noch anders aus.

Wer am gestrigen Abend durch die Newsticker der großen Zeitungen des Landes klickte, den dürfte ein bedrückendes Gefühl beschlichen haben. Im polnischen Dorf Przewodów im Osten Polens war eine Rakete eingeschlagen, was eine Explosion nach sich zog. Zwei Männer verloren aufgrund dessen ihr Leben. Das polnische Außenministerium verkündete, dass es sich bei der Rakete um ein aus russischer Produktion angefertigtes Geschoss handelte. Schnell kochten die Emotionen in den sozialen Netzwerken über. Einzelne Journalisten forderten ein Eingreifen der NATO gegen Russland, deutsche Politiker äußerten sich ohne genaues Wissen der Faktenlage und heizten die Stimmung weiter auf, anstatt einen kühlen Kopf zu bewahren. Am Morgen ist die Lage nun klarer. Bei der Rakete, die auf polnischem Staatsgebiet einschlug, soll es sich nach neuesten US-Erkenntnissen um ein ukrainisches Flugabwehrgeschoss handeln.

Polen: Hinweise auf ukrainisches Flugabwehrgeschoss

Dies habe der amerikanische Präsident Joe Biden bei einem Treffen der Nato- und G7-Staaten auf Bali erklärt, berichtet die Deutsche Presse-Agentur. Bei dem tödlichen Geschoss soll es sich um eine sogenannte S-300 Rakete handeln, die heute einen Großteil der ukrainischen Flugabwehr gegen Russland ausmacht. Laut den Angaben der Agentur AP habe es das US-Staatsoberhaupt als „unwahrscheinlich“ bezeichnet, dass das Geschoss aus Russland abgefeuert wurde. Es gebe „vorläufige Informationen“, hier soll der 79-Jährige die Flugbahn der Rakete gemeint haben, die das Abfeuern der Rakete aus Russland widerlegen. Die Nachrichtenagentur Reuters vermutet, dass das S-300 Geschoss von ukrainischen Soldaten zur Flugabwehr gegen Russland genutzt wurde.

Nato kommt zu Dringlichkeitssitzung zusammen

Die polnische Regierung hatte am vergangenen Abend den russischen Botschafter einbestellt und die Nato-Partner nach dem Vorfall alarmiert. Die Mitglieder des Verteidigungsbündnisses werden im Laufe des Tages zu einer Sondersitzung zusammenkommen, um sich weiter zu beraten. Die Ermittlungen, so Polens Präsident Andrzej Duda am Mittwochmorgen, laufen weiterhin. Eine finale Klärung steht noch aus. Mehrere Kampfeinheiten in Polen sind weiterhin in Alarmbereitschaft.

Lage kurz vor der Eskalation: Die FDP dreht am Rad

Schon am vergangenen Abend, als noch weniger Erkenntnisse vorlagen als am heutigen Morgen, hatte die Bild-Zeitung zum medialen Großschlag ausgeholt. In einem Kommentar des Chefredakteurs Johannes Boie um kurz vor 21 Uhr hieß es, Russlands Staatschef Wladimir Putin spiele mit dem Dritten Weltkrieg. Wenig besonnen scheib Boie: „Die russische Armee hat Polen bombardiert“, dies sei ein „bewaffneter Angriff auf Nato-Territorium!“ Der „irre Tyrann“, so Boie, bringe die Welt „immer näher an einen dritten Weltkrieg“. Wohl von dieser Stimmung angesteckt, konnten sich auch einige Spitzenpolitiker, die gerade in dieser schwierigen Lage einen kühlen Kopf bewahren sollten, nicht zurückhalten und schrieben sich ihre Emotionen auf der Nachrichtenplattform Twitter von der Seele.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestags, schrieb auf ihrem Profil auf der Nachrichtenseite: „Nicht nur haben russische Raketen offenbar Polen und damit NATO-Gebiet getroffen, sondern auch zu Toten geführt.“ Es sei „das Russland, mit dem hier einige offenkundig und absurderweise immer noch „verhandeln“ wollen.“ Am Morgen rudert die 64-Jährige nun zurück und löschte ihren Tweet. „Ich habe mich auf gestrige Informationen bezogen, die unklarer sind, als sie gestern bei der Übermittlung schienen.“

Screenshot des Tweets von Strack-Zimmermann zum Raketeneinschlag in Polen

Gerade von der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses sollte jedoch erwartbar sein, dass sie die genaue Faktenlage abwartet und nicht vorschnell und aus der Emotion heraus zur weiteren Eskalation beiträgt. Auch ihr FDP-Kollege Alexander Graf Lambsdorff war am Abend sicher: „Polen bestätigt Einschlag russischer Rakete. Keine Flugabwehr der Ukraine, keine andere Ursache.“ Auch der 56-Jährige löschte seinen Tweet am Morgen und stellte klar: „Der Vorspann zu einer Meldung suggerierte mehr Klarheit als tatsächlich vorhanden war.“

Screenshot des Tweets von Alexander Graf Lambsdorff zum Raketeneinschlag in Polen
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