Wer dachte, es könnte nach dem unwürdigen Altparteien-Schauspiel zur konstituierenden Sitzung des Thüringer Landtags nicht noch schlimmer können, dürfte sich getäuscht sehen. Die Präambel eines möglichen Koalitionsvertrags, in dem die „Brombeer-Partner“ CDU, BSW und SPD ihre ersten politischen Leitplanken setzen, wird zum totalen Fiasko. Gerade die Wähler des BSW dürften sich verraten vorkommen. Für ein paar Pöstchen werden Prinzipien verraten.
Wagenknecht, überall Sahra Wagenknecht. Wer im Wahlkampf in Ostdeutschland unterwegs war, dürfte das Gesicht der ehemaligen Linken von Dresden bis Erfurt bestaunen, auch wenn die Talkshow-Königin überhaupt nicht zur Wahl stand. Mitunter geblendet von der glitzernden Fassade der ehemaligen Linken, deren heutige Parteikollegin noch vor Kurzem darüber philosophierte, gegen jede (!) Abschiebung aus Deutschland zu sein, setzten im Freistaat Thüringen 15,8 Prozent ihr Kreuz bei der neuen Linken. Ihre Entscheidung dürften diese Wähler spätestens gestern Mittag bereut haben.
Die Parteien kriegen keine drei gemeinsamen Sätze zusammen, aber wollen zusammen regieren
Denn die ausgehandelte Brombeer-Präambel, die einem Koalitionsvertrag vorstehen könnte, verkommt zu einem faulen Kompromiss, den es so wahrscheinlich noch nie in der Bundesrepublik gegeben hat. Statt großer Friedenspolitik, wie vom Wagenknecht-Bündnis vollmundig angekündigt, bleiben ein paar nichtssagende Worte, bei denen sich CDU, SPD und BSW sogar selbst widersprechen. So heißt es an einer Stelle der Präambel: „CDU und SPD sehen sich in der Tradition von Westbindung und Ostpolitik. Das BSW steht für einen kompromisslosen Friedenskurs.“ Warum dann eigentlich gemeinsam regieren, wenn man es nicht einmal schafft, eine gemeinsame Linie zu formulieren?
Beim BSW tobt der Machtkampf, während sich die Altparteien ins Fäustchen lachen
Zudem muss das BSW beim Thema Stationierung von Mittelstrecken- und Hyperschallraketen in Deutschland stark zurückstecken. Diese werden nicht abgelehnt, sondern „anerkannt“, dass viele Thüringer das „kritisch sehen bzw. ablehnen“.
Wow. Das soll die große Politikwende sein, die Wagenknecht und ihre Genossen versprach?
Selbst BSW-Politiker sehen die Ergebnisse mehr als kritisch. So schrieb Friedrich Pürner, Europaparlamentarier, auf seinem X-Kanal: „Wähler und Unterstützer des #BSW dürften entsetzt sein. Ämter werden gegen Überzeugungen eingetauscht.“ Er dürfte damit richtig liegen. Die Posten und die Dienstwagen dürften der Hauptgrund sein, warum trotz dieser einschneidenden Zugeständnisse weiter brav vor den Altparteien gebuckelt wird. Und einem Mario Voigt, der mit etwas über 23 Prozent einen Regierungsauftrag bei sich sieht, scheint sowieso jedes Mittel recht, an die Macht zu kommen. Die SPD mit ihren knapp über dem Durst liegenden 6,1 Prozent dürfte sowieso alles egal sein.
Wagenknecht-Bündnis entblößt sich – die Thüringer schauen in die Röhre
Das BSW entpuppt sich also, wie von vielen gewarnt, als Steigbügelhalter der Altparteien, die für die paar nichtssagenden Halb-Friedenssätze weiterwursteln dürfen wie bisher. Da hilft auch die geäußerte Kritik von Sahra Wagenknecht nichts, wusste sie doch von Anfang an, wen sie sich in ihrem Bündnis mit ins Boot holte. Vielmehr ist jetzt für alle sichtbar zu beobachten, dass Wagenknecht ihren eigenen Laden überhaupt nicht im Griff hat und gleichzeitig nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht ist. Denn der Namensgeberin dürfte bewusst sein, wie schwer es für sie wird, im Bundestagswahlkampf weiter das Theaterstück der Anti-Establishment-Politikerin aufzuführen, während ihre Partei mit den ältesten der Altparteien gemeinsame Sachen macht und sie als beliebter Talkshowgast durch die Fernsehstudios der Republik tingelt.
Wer bei all dem Altparteien und BSW-Theater in die Röhre schaut, sind die Thüringer, die die AfD klar auf Platz 1 wählten und sich unter anderem eine Migrationswende versprachen. Dazu findet sich in der Präambel übrigens kein Wort.
Bild Voigt: Superbass, CC BY-SA 4.0 / Bild Wagenknecht: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)
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