Bei der Hauptstadt-Neuwahl geht die CDU als Erste ins Ziel. Der regierende rot-grün-rote Senat muss herbe Verlust hinnehmen, kann aber trotzdem weiterregieren. Die FDP fliegt raus, die AfD steigert sich als einzige Partei neben der Union und holt zwei Direktmandate.
In der Hauptstadt lag spürbar Wechselstimmung in der Luft. Wenige Tage vor der Wahl gaben nur 25 Prozent der Berliner in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa an, dass der regierende Senat aus SPD, Grünen und Linken die Probleme der Stadt lösen könne. Drei Viertel der Hauptstädter erklärten, mit der Regierung unzufrieden zu sein. Berlin wäre aber nicht Berlin, wenn sich diese eindeutige Meinung dann nur teilweise an den Wahlurnen widerspiegeln sollte.
Rot-Grün-Rot mit Verlusten, aber Parlamentsmehrheit
Denn alle drei regierenden Parteien mussten zwar Verluste hinnehmen, könnten zusammen jedoch weiterregieren. Die SPD traf es im Bündnis am dramatischsten. Mit gerade einmal 18,4 Prozent erreichten die Sozialdemokraten ihr schwächstes Ergebnis in der Berliner Stadtgeschichte. Die Grünen mussten mit 18,4 Prozent leichte Verluste hinnehmen, die Linke mit 12,2 Prozent musste um fast zwei Prozent federn lassen. Insgesamt könnte Rot-Grün-Rot trotz Verluste und katastrophaler Bilanz jedoch eine Mehrheit im Berliner Stadtparlament stellen. Laut vorläufigem Ergebnis des Landeswahlleiters stellen die drei linken Parteien mit 90 Sitzen eine klare Mehrheit und könnten den Wahlgewinner CDU sprichwörtlich links liegen lassen.
CDU gewinnt und schielt sofort nach Links
Sowieso ist mehr als fraglich, ob eine CDU-geführte Regierung die Hauptstadt wirklich voranbringen würde. Zwar gewannen die Christdemokraten die Wahl gestern deutlich und konnten um über zehn Prozent auf 28,2 Prozent zulegen. Doch welche Regierungsoption hat die CDU, die sich mittlerweile fast penetrant von den weiteren, bürgerlichen Parteien abgrenzt? In welche Richtung es gehen könnte, deutete sich schnell an: Hatte Spitzenkandidat Kai Wegner vor der Wahl klar ausgeschlossen, mit den Grünen in Regierungsverantwortung zu gehen, verkündete der 50-Jährige noch am Wahlabend, die Öko-Partei sowie die SPD zu Sondierungsgesprächen einladen zu wollen. Ob eine CDU-light zusammen mit grünen Hardcore-Ideologen oder weit linksstehenden Sozialdemokraten wirklich etwas verändern will und kann? Fraglich.
Die Ampel zerstört die FDP
Neuer Tiefpunkt für die FDP: Die Liberalen erreichten gerade einmal 4,6 Prozent der Stimmen und flogen krachend aus dem Senat. Eine weitere Ohrfeige für die Lindner -Truppe, deren devote Haltung in der Ampelregierung zunehmend mit einem Bedeutungsverlust in Bund und Ländern einhergeht. Nach der Wahl in Niedersachsen scheiden die Liberalen also erneut aus, bei den vorherigen Wahlen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein musste die FDP teils erhebliche Verluste hinnehmen. Geben in der Bundes-FDP weiter linksliberale Kräfte wie Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Konstantin Kuhle oder Johannes Vogel den Ton an, können keine Wahlen gewonnen werden, so scheint es. Applaus von linksgrüner Seite bringt eben keine Mandate.
AfD legt zu und verteidigt zwei Direktmandate
Für die Alternative für Deutschland verlief der Wahlabend positiv, wenn auch nicht überragend. Wohl aufgrund der medialen Popularisierung zwischen Rot-Grün-Rot und CDU, die allen voran letztgenannter noch einige Protestwähler in die Arme trieb, blieb es bei einer leichten Verbesserung um 1,1 Prozent und somit insgesamt 9,1 Prozent Stimmanteil. Damit legt die AfD nach der erfolgreichen Niedersachsenwahl zum zweiten Mal in Folge zu. Positiv hervorzuheben sind darüber hinaus die zwei Direktmandate in den Wahlkreisen Marzahn-Hellersdorf 1 und 3, die von Gunnar Lindemann und Jeannette Auricht erkämpft wurden. Insgesamt stehen der AfD nach Auszählung aller Stimmen 17 Sitze zu, vier mehr als im Herbst 2021. Spitzenkandidatin Dr. Kristin Brinker zeigte sich zufrieden: Es sei ein „großartiger Erfolg für uns, dass wir uns konsolidiert haben in Berlin.“
Chrupalla: Ein Gewinner der Wahl ist AfD
AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla bewertete das Abschneiden seiner Partei ebenfalls als positiv. „Es gibt zwei Gewinner der gestrigen Wahl. Eine davon ist die AfD. Gleichwohl hätten wir uns gewünscht, ein zweistelliges Ergebnis zu erzielen. Aber wir konnten unsere Stammwähler mobilisieren und wir haben zugelegt“, so der 47-Jährige in einer Pressestimme. Die Christdemokraten kämen auf lange Sicht nicht an der AfD vorbei, wenn sie Wahlsiege in Zukunft nutzen wolle. „Wenn man Politik für die Bürger wirklich verändern will – und das muss sich die CDU klar machen, dann wird man an uns nicht vorbeikommen“, erklärte der AfD-Chef.
CDU in Berlin als Geisel linksgrüner Ideologen
Und tatsächlich sieht es so aus, als sei der CDU-Erfolg in der Hauptstadt nichts weiter als ein Pyrrhussieg. Laut Angaben des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap wählten fast 50 Prozent der CDU-Wähler die Partei aus Enttäuschung über andere Parteien. Anders gesagt: Ein Teil der Berliner wollte den rot-grün-roten Senat irgendwie weghaben – und sei es über eine weiche Hauptstadt-CDU, die kurz nach der Wahl schon wieder nach links schielt. Aufgrund dieser Wechselstimmung musste wohl auch die AfD Einbußen hinnehmen. In den letzten Tagen vor der Wahl sank die Alternative in zwei Meinungsforschungsinstituten von 11 auf 9 Prozent. Falls es nun zu einem schwarz-grünen oder schwarz-roten Bündnis kommen soll, dürften die Wechselwähler ihre Entscheidung jedoch schnell bereuen. Es zeigt sich mehr und mehr, dass sich die CDU in ihrer selbstgezogenen „Brandmauer“ selbst einkaserniert hat – und eine Geisel linksgrüner Ideologen ist, die sie abseits der AfD für Mehrheiten braucht.