Die EU-Innenminister haben einen Fünf-Punkte-Plan vorgelegt, um die niedrige Abschiebequote in der Europäischen Union zu erhöhen und zügig für mehr Rückführungen zu sorgen. Doch die deutsche Ressortchefin Nancy Faeser (SPD) stellt sich quer.
Laut Zahlen der europäischen Statistikbehörde wird nur jeder fünfte ausreispflichtige Migrant abgeschoben. Und selbst diese Zahl scheint optimistisch formuliert zu sein: Wie die WELT berichtet, wird in Brüssel vermutet, dass die Zahl der jährlichen Abschiebungen noch weit niedriger liegt. Die EU-Innenminister unternehmen daher einen erneuten Anlauf, um die Rückführungsquote massiv zu erhöhen. „Wir haben eine sehr niedrige Rückführungsquote und ich sehe, dass wir hier erhebliche Fortschritte machen können“, erklärte Ylva Johannsson, EU-Innenkommissarin am Rande des Innenministertreffens in Stockholm. Um das erklärte Ziel zu erreichen, legt Schweden nun einen 5-Punkte-Plan vor, um die Abschiebungen illegaler Migranten besser zwischen den europäischen Staaten zu koordinieren und Druck auf die Herkunftsländer auszuüben.
Frontex, VISA, Digitalisierung: So sollen Abschiebungen besser gelingen
Um das Ziel, eine Abschiebequote von 70 Prozent, zu erreichen, sollen Abschiebeverfahren digitalisiert und so beschleunigt werden. Des Weiteren ist vorgesehen, die Grenzschutzagentur Frontex stärker in Rückführungsprozesse einzubinden und mehr Druck auf die Herkunftsländer der Migranten auszuüben. Letzteres soll allen voran durch erschwerte Visaverfahren für diejenigen Länder gelingen, die sich weigern, die in der EU abgelehnten Migranten wieder aufzunehmen. Für die schwedische Ratspräsidentschaft ist der Artikel 25a des Visa-Kodex ein entscheidender Hebel, „um die Zusammenarbeit mit Drittstaaten im Bereich Rückkehr und Rückübernahme zu verbessern“.
Faeser spricht sich gegen EU-Pläne aus
Diesen Kernpunkt des Papiers, die Visapolitik als Schlüsselinstrument für beschleunigte Abschiebungen einzusetzen, stößt ausgerechnet auf Kritik aus Deutschland. Nancy Faeser, SPD-Innenministerin, sieht die Pläne der europäischen Partner kritisch und ist dagegen, mehr Druck bei Abschiebungen zu machen. Insbesondere den Vorschlag, die Visapolitik künftig als Druckmittel zu verwenden, lehnt Faeser ab. „Ich bin damit zurückhaltend, ich glaube, dass der Weg über Migrationsabkommen der bessere ist“, sagte sie in Stockholm. Die SPD-Politikerin möchte weiter auf „Anreize“ setzen, auch wenn das in der Vergangenheit kaum funktionierte. Länder wie Tunesien oder Marokko verweigern seit Jahren die Rückübernahme. Ob diese Haltung durch „Anreize“ zu ändern sein wird, ist zweifelhaft.
Kritik an Innenministerin wächst
Dabei ist gerade in Deutschland Handlungsbedarf dringend notwendig. Faeser hat bislang, obwohl im Koalitionsvertrag der Ampel eine Rückführungsoffensive vereinbart wurde, auf diesem Gebiet wenig Erfolge vorzuweisen. Im Jahr 2022 wurden gerade einmal 12 945 Menschen aus Deutschland abgeschoben, insgesamt befinden sich derzeit 300.000 ausreisepflichtige Ausländer in der Bundesrepublik. Jüngst erschreckte der Fall eines Messer-Amoklaufs in Norddeutschland, als ein staatenloser Palästinenser zwei junge Menschen getötet und fünf weitere schwer verletzt hatte. Dem 2014 nach Deutschland gekommenen Mann war ein subsidiärer Schutzstatus zuerkannt worden, der ihn vor Abschiebungen schützte.