Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages rügt in einem Gutachten die Praxis des Bundesverfassungsgerichts, ausgewählten Journalisten schon im Voraus Zugang zu dessen Urteilen zu gewähren. Der Präsident des höchsten deutschen Gerichts und frühere CDU-Politiker Stephan Harbarth steht aufgrund Zweifeln an seiner fachlichen Eignung sowie an seiner Unabhängigkeit zur Politik immer wieder in der Kritik.
Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth (50), gerät durch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes (WiD) des Bundestages erneut unter Druck. Stein des Anstoßes ist die Institution der „Justizpressekonferenz“ (JPK). Dies ist ein privater Verein, dem mit etwa 50 % zu einem großen Teil Mitarbeiter der öffentlich-rechtlichen Rundfunksender angehören. Mitglieder der JPK erhalten bereits am Vorabend der Urteile eine gerichtliche Pressemitteilung. Im Gegensatz hierzu verpflichten sie sich bis zur Verkündung zu Stillschweigen über deren Inhalt – zumindest in der Theorie. Das Bundesverfassungsgericht begründet diese Bevorzugung mit der besonderen „Professionalität“ der involvierten Medien. Die schon länger gepflegte Praxis wurde der Öffentlichkeit erst im Jahr 2020 bekannt.
Dies lässt das Gutachten des WiD jedoch nicht gelten: Professionalität sei „kein formales, meinungsneutrales Kriterium“. Zudem gebe es „einen informationellen Nachteil“ für andere Medien „von wirtschaftlicher Bedeutung“. Der „besonders schwerwiegende“ Eingriff in die Gleichbehandlung der Journalisten sei damit nicht zu rechtfertigen. Schlussendlich sei es „fraglich“, ob angesichts der grundgesetzlich geschützten Pressefreiheit die „gesteigerte[n[ Anforderungen an die Ungleichbehandlung von Journalisten“ erfüllt seien. Kritik an der Praxis kommt auch aus Justizkreisen. Würden andere Richter bestimmte Journalisten offen bevorzugen, hätte dies Disziplinarverfahren zur Folge.
Honorarprofessur in Heidelberg: Fachliche Eignung Harbarths zweifelhaft
Stephan Harbarth steht mit diesem Gutachten nicht das erste Mal in der Kritik: Bereits im Sommer wurde seine Eignung für den Posten des Präsident des Bundesverfassungsgerichts infrage gestellt. Die für Harbarths Ernennung zum Honorarprofessor an der Universität Heidelberg erforderlichen Gutachten wurden bis heute nicht veröffentlicht. Die Honorarprofessur war jedoch ein wichtiges Kriterium für seine Ernennung zum Bundesverfassungsrichter. Darüber hinaus ist es fraglich, ob Harbarth überhaupt die Voraussetzungen einer Honorarprofessur erfüllt. Hierfür wären nämlich mindestens 3 Jahre selbstständiger Lehrtätigkeit an einer Hochschule vonnöten.
Die Ernennung Stephan Harbarths zum Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts war bereits von Anfang an umstritten. Als CDU-Politiker saß der Jurist erst von 2009 bis 2018 im Bundestag, war dort ab Juni 2016 auch stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Unionsfraktion. 2018 schließlich wurde er direkt vom Bundestag ins Bundesverfassungsgericht berufen, wo er zunächst dem Ersten Senats des Gerichts vorsaß. Im Juni 2020 schließlich wurde Harbarth Präsident des höchsten Deutschen Gerichts. Der nahtlose Übergang von der Legislative zur Judikative sowie das Vertrauensverhältnis zu Bundeskanzlerin Angela Merkel lässt an der funktionierenden Gewaltenteilung in der Bundesrepublik erhebliche Zweifel aufkommen.
Corona, Klimaschutz, Thüringen-Wahl: Urteile unter Harbarth politisch motiviert?
Man bekommt darüber hinaus schnell den Eindruck, dass auch die Urteile des Bundesverfassungsgerichts wurden unter ihrem Vorsitzenden Harbarth in immer größerem Maße politisch motiviert wurden. Zu nennen sei hier das Durchwinken der Grundrechtseinschränkungen durch die Corona-Maßnahmen der Regierung. In einem Urteil zum „Klimaschutz“ betrieb das Gericht sogar aktive Politik, indem es der Bundesregierung umfassendere Maßnahmen vorschrieb. Zuletzt steht auch eine Verschleppung des Urteils zu Äußerungen von Bundeskanzlerin Merkel im Zuge der Thüringen-Wahl im Raum: Hier wurde der AfD als Klägerin zwar Recht gegeben, dass Merkel mit ihren Aussagen ihr Neutralitätsgebot verletzt habe. Das Urteil wurde jedoch erst nach Beendigung ihrer Amtszeit gefällt und blieb daher ohne weitere Konsequenzen.