Cum-Ex-Skandal: Scholz unter Druck

Bundeskanzler Olaf Scholz gerät wegen des Cum-Ex-Skandals erneut unter Druck

Cum-Ex-Skandal: Olaf Scholz

Die Cum-Ex-Affäre rund um kriminelle Geschäfte unter anderem durch die Hamburger Warburg-Bank droht zum handfesten Politskandal zu werden: Führenden ehemaligen Hamburger Politikern, darunter Johannes Kahrs, Peter Tschentscher und Bundeskanzler Scholz (alle SPD) wird vorgeworfen, die Bank bei ihren Geschäften gedeckt zu haben. Ein größerer Bargeld-Fund bei Kahrs sowie nachgewiesene Gespräche zwischen Scholz und Warburg-Banker Olearius erhärten den Verdacht. Scholz könnte die Cum-Ex-Affäre noch zum Verhängnis werden. Bislang bestreiten er und seine Genossen jegliches Wissen.

Es ist der 28. September 2021. Beamte durchsuchen im Auftrag der Staatsanwaltschaft Köln die Räumlichkeiten des ehemaligen SPD-Politikers und Hamburger Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs. Der Vorwurf: Kahrs soll in den sogenannten „Cum-Ex-Skandal“ verwickelt sein. Erst Anfang August diesen Jahres wurde jedoch bekannt: In einem Bankschließfach des ehemaligen Politikers sollen mehr als 200.000 Euro in bar gefunden worden sein. Eine Entdeckung, welche nicht nur Kahrs, sondern auch den früheren regierenden Bürgermeister von Hamburg und jetzigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erheblich in Bedrängnis bringen dürfte. Doch worum geht es bei dem Skandal überhaupt konkret?

Bei Cum-Ex handelt es sich um die bewusste Ausnutzung eines Steuerschlupfloches bei der Kapitalertragssteuer. Vereinfacht gesagt werden hier Aktien um den Dividendenstichtag herum solange zwischen Aktiengesellschaften, Banken und Privatanlegern hin und her geschoben, bis die Steuerpflichtigkeit der einzelnen Akteure nicht mehr nachzuvollziehen ist. Mithilfe dieser Masche konnten so Kapitalertragssteuern gleich mehrfach vom Fiskus zurückerstattet, quasi ein Pfandbon ohne Pfand ausgestellt werden.

Cum-Ex: Kriminelle Steuerhinterziehung bei Kapitalertragssteuer

Um die Jahre 2006 bis 2011 wurde der deutsche Staat durch Cum-Ex um mehrere Milliarden Euro Steuergeld betrogen. Im Juli 2021 urteilt der Bundesgerichtshof in letzter Instanz: Cum-Ex-Geschäfte sind nicht etwa eine clevere Ausnutzung einer Gesetzeslücke, sondern absichtliche Steuerhinterziehung. Seitdem nahm die Verfolgung der Drahtzieher und Komplizen hinter diesen Geschäften deutlich an Fahrt auf. Nicht zu verwechseln mit Cum-Ex sind die sogenannten „Cum-Cum-Geschäfte“, welche sich auf Steuertricks ausländischer Inhaber deutscher Aktien beziehen.

Eine große Rolle bei der Abwicklung der Cum-Ex-Machenschaften spielt indessen die in Hamburg ansässige Warburg-Bank. Diese soll von dem vermutlichen Erfinder und Drahtzieher der Cum-Ex-Transaktionen, Hanno Berger, zur Ausnutzung dieser Methode zur Steuerhinterziehung angestiftet worden sein. Allein durch Steuerrückzahlungen an die Warburg-Bank verlor der deutsche Staat je nach Schätzung 200-300 Millionen Euro. Verantwortlich für die Geschäfte der Warburg-Bank waren damals die Aufsichtsratsvorsitzenden Christian Olearius und Max Warburg.

Stadt Hamburg forderte unerklärlicherweise 47 Millionen Euro nicht ein

Wäre das nicht schon Skandal genug, fiel den Ermittlern schon bald ein seltsamer Zufall auf: 2016 verzichtete die Hamburger Finanzverwaltung auf unerklärliche Weise auf eine Rückzahlungsforderung ganzer 47 Millionen Euro unrechtmäßig erstatteter Kapitalertragssteuer von der Warburg-Bank. Weitere 43 Millionen Euro wurden im darauf folgenden Jahr erst zurückgefordert, als das Bundesfinanzministerium eine direkte Weisung erteilte. Warum verzichtet die Hamburger Verwaltung unter Leitung des Hamburger Senats auf solche Unmengen Steuergeld?

Und genau hier kommt eine mögliche Verstrickung führender Hamburger Politiker wie Johannes Kahrs, dem Hamburger Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Olaf Scholz ins Spiel. Tschentscher, 2016 Hamburger Finanzsenator, und Olaf Scholz hätten laut Aussagen von Olearius mit ihm kooperiert, um Rückzahlungen der Warburg-Bank zu vermeiden. Sowohl Tschentscher als auch Scholz bestreiten die Aussagen. Jedoch gibt es weitere, direkte Beweise für eine Verwicklung der Stadt Hamburg. Auf dem Handy der Hamburger Finanzbeamtin Daniela P. fanden Ermittler einen Chatverlauf, datiert auf den 17. November 2016. Darin schreibt sie, ihr „teuflischer Plan“ sei „aufgegangen“ und ihre Vorgesetzten seien zufrieden mit ihr. Die Vorgesetzten – das waren zum damaligen Zeitpunkt Tschentscher und damit auch Scholz.

Scholz-Treffen mit Warburg-Banker in Tagebuch vermerkt

Ein weiterer Fund der Cum-Ex-Ermittler belastet den jetzigen Bundeskanzler schwer: Im bei einer Hausdurchsuchung in seiner Wohnung gefundenen Tagebuch des Warburg-Bankers Olearius sind drei Treffen mit Olaf Scholz vermerkt. An das Treffen und den Inhalt dieses Treffens kann sich Scholz laut eigenen Angaben nicht mehr erinnern. Angesichts der Umstände erscheint diese Behauptung höchst unglaubwürdig. Am 19. August diesen Jahres wurde Scholz im Untersuchungsausschuss des Hamburger Bürgerhauses nochmals zu möglichen Treffen befragt. Auch da bestritt Scholz weiterhin jegliche Vorwürfe. Jedoch war dies ein leichtes Spiel für den SPD-Politiker: Rot-Grün besitzt im Hamburger Parlament eine Zweidrittelmehrheit, Ausschussvorsitzender Mathias Petersen ist Parteigenosse.

Jedoch bleibt nicht nur dieses Rätsel weiterhin ungelöst. Ebenfalls im Raum stehen nach wie vor die 200.000 Euro im Schließfach von Johannes Kahrs. Handelt es sich bei der Summe um ein Bestechungsgeld für Gefälligkeiten gegenüber der Warburg-Bank? Schließlich ist ebenfalls bekannt, dass die Warburg-Bank 2017 insgesamt 45.000 Euro an die SPD in Hamburg spendete – den größten Teil hiervon an den damals von Johannes Kahrs geführten SPD-Kreisverband Mitte. Es ist also nicht weniger als plausibel, dass hier einer der größten Bestechungsskandale der jüngeren Geschichte aufgedeckt werden könnte. Sollte sich auch nur ein Bruchteil der Vorwürfe bewahrheiten, wäre Olaf Scholz nicht nur politisch am Ende seiner Karriere angekommen.

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