Chronik: Der Fall Schlesinger

Ausführlicher Bericht zu dem Skandal um die RBB-Intendantin Patricia Schlesinger

Der Fall Patricia Schlesinger

Patricia Schlesinger, deren Skandale in den letzten Wochen Stück für Stück an die Oberfläche gekommen sind, ist inzwischen sowohl als ARD-Chefin als auch als Intendantin des Rundfunks Berlin- Brandenburg (RBB) zurückgetreten. In der folgenden Chronik sollen die zahlreichen Verfehlungen der 61-Jährigen aufgearbeitet werden.

Nachdem Schlesinger am 4. August als ARD-Chefin zurückgetreten war, folgte drei Tage später der Rückzug vom Amt als RBB-Intendantin. Unter anderem die Vorwürfe potenzieller Vetternwirtschaft und Vorteilsnahme standen schon länger im Raum. Doch was ist genau passiert?

Unstimmigkeiten bei Beraterverträgen

Bereits am 23. Juni zeigte „Business Insider“ Unstimmigkeiten, die sich um Schlesinger und ihren Ehemann Gerhard Spörl drehten, auf. Die Berichte handelten von einem auffälligen Beratervertrag zwischen der Messe Berlin und Spörl, der mit etwa 100.000 Euro dotiert ist. Das Besondere daran ist, dass der Aufsichtsratschef der Messe, Wolf-Dieter Wolf, gleichzeitig Verwaltungsratschef des RBB ist und wohl die Beratung durch Schlesingers Mann persönlich in Auftrag gegeben hatte.

Mutmaßlich abgerechnete private Abendessen auf Kosten der Beitragszahler

In den folgenden Tagen wurde weiterhin bekannt, dass Schlesinger private Abendessen bei sich zuhause abgehalten, aber durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk – somit auf Kosten der Beitragszahler – finanziert haben soll. Zudem existieren die Vorwürfe zusätzlicher Ungereimtheiten bei der Abrechnung: Demnach soll der Catering-Dienst auf Anfrage des RBB Rechnungen verändert haben, sodass schlussendlich verkürzte Gästelisten bestanden, während die Gesamtsumme der Rechnungen gleich geblieben sein soll.

Außerdem gerieten weitere Beraterverträge für ein Bauprojekt des RBB für Immobilien-Experten, zu denen Wolf gute Beziehungen hat, ans Tageslicht, bei denen die 61-Jährige mutmaßlich entscheidend mitwirkte. Deswegen wird Schlesinger, Wolf und Spörl nun Vetternwirtschaft vorgeworfen: Spielten sich beide Parteien (Schlesingers Ehemann und Wolf für seine Geschäftspartner) unter Mithilfe von Schlesinger gegenseitig Beraterverträge zu?

Noch am 9. Juli bestritt die ehemalige ARD-Chefin alle Vorwürfe, während Medienberichten zufolge RBB-Mitarbeiter die Glaubwürdigkeit des Senders als gefährdet ansahen. Als Konsequenz der Anschuldigungen gab der Vorsitzende des RBB-Verwaltungsrats Wolf am 15. Juli des Weiteren kund, dass er sein Amt, bis die Umstände geklärt seien, nicht weiter ausüben werde.

Üppige Gehaltserhöhung und Bonuszahlungen

Nicht zuletzt war Schlesinger in die Kritik geraten, weil sie erst kürzlich eine üppige Gehaltserhöhung um 16 Prozent auf 303.000 Euro jährlich erhielt – durch den Verwaltungsrat, der zu diesem Zeitpunkt von Wolf-Dieter Wolf geführt wurde. Dabei gilt der RBB als Sender, der aktuell finanzielle Einsparungen vornehmen muss.

Unmut erzeugte die gebürtige Hannoveranerin weiterhin Mitte Juli als sie und die Verantwortlichen von RBB-Rundfunkrat und RBB-Verwaltungsrat eine Sondersitzung zu den Vorwürfen im brandenburgischen Landtag schwänzten. Am Ende des vergangenen Monats erstattete die AfD-Fraktion in Brandenburg aufgrund der belastenden Anschuldigungen Strafanzeige gegen Schlesinger, doch die Berliner Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren wenig später zunächst ein.

Luxus-Sucht von Patricia Schlesinger?

Am 29. Juli wurde zusätzlich bekannt, dass die 61-Jährige einen blauen Audi A8, der einen Wert von 145.000 Euro besitzt, für ihre Zwecke mietete. Für diesen soll Schlesinger einen sehr hohen Rabatt von beinahe 70 Prozent erhalten haben. Zu den Leistungen des Wagens zählten u.a. Massagesitze. Darüber hinaus heißt es, dass die damalige RBB-Intendantin die Chauffeure neben geschäftlichen auch bei privaten Fahrten eingesetzt haben soll. Später gerät an die Öffentlichkeit, dass Schlesinger den Dienstwagen wohl ebenfalls an ihren Ehemann verlieh, der das Auto wiederum für seine Geschäftstermine genutzt haben soll. Spätestens an dieser Stelle sollte sich jeder Beitragszahler der öffentlich-rechtlichen Anstalten fragen, welchen Prunk er monatlich mitfinanziert.

Am 4. August erfolgte dann Schlesingers folgerichtiger Rückzug vom ARD-Vorsitz. Drei Tage später kamen weitere Berichte über ihr Gehalt auf: Obwohl dieses wie dargestellt gelinde gesagt wohlwollend ist, soll der RBB 2021 zusätzliche Bonuszahlungen von mindestens 20.000 Euro übermittelt haben. Außerdem wurde offenbar, dass die Abendessen bei der 61-Jährigen, die die Beitragszahler bezahlen mussten, Berichten zufolge teurer waren, als zuerst von Schlesinger angegeben: Demnach soll es sich um Preise von bis zu 136,65 Euro pro Gast gehandelt haben.

Doch noch immer sind nicht alle Verwerfungen der ehemaligen ARD-Chefin abgebildet. Laut einer großen deutschen Tageszeitung hat Schlesinger über ein Luxus-Büro verfügt. Dieses soll die gebürtige Hannoveranerin nach ihrem erfolgten Umzug in die Leitungsetage des Berliner Funkhauses für 650.000 Euro renoviert haben. Demnach ersetzte Schlesinger offenbar einen Teppich durch italienisches Parkett für 16.783,82 Euro, ohne zuvor ein alternatives Angebot eingeholt zu haben, obwohl dieser Vorgang den sogenannten Compliance-Vorschriften des RBB widersprach.

Rücktritt als ARD-Chefin und RBB-Intendantin

Am Abend des 7. August gab der RBB dann der Öffentlichkeit folgendes preis: „Patricia Schlesinger legt ihr Amt als Intendantin des Rundfunk Berlin-Brandenburg mit sofortiger Wirkung nieder und tritt als Chefin des Senders zurück.“ Bereits am nächsten Tag startete die Berliner Staatsanwaltschaft nun doch mit Ermittlungen gegen Schlesinger, Ehemann Spörl und den bisherigen RBB-Verwaltungsratschef Wolf wegen möglicher Untreue.

Am Montag, dem 15. August, wurde die ehemalige ARD-Chefin letztlich offiziell vom Rundfunkrat des RBB als Intendantin abberufen. 22 Mitglieder des Rates stimmten für den Schritt, bei einer Enthaltung. Die Abberufung wurde mit den zahlreichen hier aufgeführten Verfehlungen Schlesingers begründet, worunter insgesamt auch neun falsch abgerechnete Abendessen und eine London-Reise mit Ehemann und Freunden fielen, die die damalige Intendantin ebenfalls vom RBB bezahlen lassen haben soll.

Nach der Entscheidung des Rundfunkrates wird es jetzt im Verwaltungsrat des RBB darum gehen, ob der Arbeitsvertrag mit der 61-Jährigen fristlos gekündigt wird. Bedeutend ist dies für Schlesinger, weil ihre potenzielle Abfindung bzw. Pensionsansprüche davon betroffen sind. Sollte insbesondere festgestellt werden, dass die Ex-ARD-Chefin juristisch relevante Fehler beging, könnte die bei den Öffentlich-Rechtlichen üppige Pension von schätzungsweise 15.000 Euro pro Monat flöten gehen.

Ist Schlesinger nur die Spitze des Eisbergs?

Sollten sich die Vorwürfe gegen Schlesinger erhärten, ist ihr Verhalten zusammenfassend als unmoralisch zu beurteilen. Die Kritik an den Öffentlich-Rechtlichen wird durch diesen großen Skandal zu Recht immer lauter. Dass die ehemalige RBB-Intendantin dabei nur die Spitze des Eisbergs sein könnte, zeigen zwei weitere Fälle: Zum einen wurde mit Verena Formen-Mohr, der (Ex-)Leiterin der Hauptabteilung Intendanz, in der Schlesinger-Affäre eine weitere Führungskraft des RBB entlassen. Zum anderen deutet sich beim Bayrischen Rundfunk (BR) ein weiterer Skandal an. Technik-Direktorin Birgit Spanner-Ulmer soll dort laut einem Medienbericht über zwei Dienstwagen und zwei exklusive Chauffeure verfügen.

Die mobile Version verlassen