Dem aktuellen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), Stephan Harbarth, wird vorgeworfen, nicht über genügend Eignung und Qualifikation zu verfügen. Besonders seine Ernennung zum Honorarprofessor wirft viele Fragen auf. Da Harbarth, der zuvor einflussreicher CDU-Politiker war, darüber hinaus beinahe nahtlos vom Bundestag in den höchsten Richterstuhl Deutschlands wechselte, sind deutliche Verstrickungen zwischen Politik und Justiz zu vermuten. Zudem scheint der Jurist in früheren Jahren an Cum-Ex-Modellen beteiligt gewesen zu sein.
Ist Harbarth zu Unrecht zum Honorarprofessor ernannt worden?
Die Kritik am Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts reißt nicht ab: Wie übereinstimmende Medienberichte aufzeigen, könnte es bei Harbarths Ernennung zum Honorarprofessor der Universität Heidelberg nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Denn die beiden hierfür extern benötigten Gutachter und deren Expertise wurden bisher nicht veröffentlicht. Die Uni Heidelberg begründete dies mit Daten- und Persönlichkeitsschutz. Im kommenden Herbst soll der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entscheiden, ob die Daten offen gelegt werden müssen. Doch was spricht gegen eine solche Auskunft, wenn es nichts zu verbergen gibt? Der Titel des Honorarprofessors war mutmaßlich ein wichtiges Kriterium für die Ernennung Harbarths zum Vizepräsidenten und später zum Präsidenten des BVerfG.
Unklar bleibt auch, ob der heute 50-Jährige die Voraussetzungen für eine Honorarprofessur überhaupt vollständig eingehalten hat. Im Landeshochschulgesetz von Baden-Württemberg steht geschrieben, dass hierfür „eine mindestens dreijährige selbstständige Lehrtätigkeit an einer Hochschule“ benötigt werde. Beim Blick in die Vorlesungsverzeichnisse der juristischen Fakultät kommen erhebliche Zweifel auf, dass Harbarth diesen Umstand der selbstständigen Lehre tatsächlich in Gänze erfüllte. Genauere Nachforschungen eines Magazins konnten den Juristen nicht entlasten, sondern brachten nur noch mehr Fragen. Hat der Ex-Bundestagsabgeordnete überhaupt die nötige Kompetenz für das Amt des höchsten deutschen Verfassungsrichters?
Denn Harbarth ist lediglich gelernter Wirtschaftsanwalt und arbeitete in seiner juristischen Karriere nicht mit dem Öffentlichen Recht oder dem Verfassungsrecht. Als Hüter des Grundgesetzes und der Grundrechte der Bürger hat das BVerfG eigentlich u.a. die wichtige Aufgabe, die Bürger vor einem übergriffigen Staat zu bewahren.
Harbarth war einflussreicher CDU-Politiker und enger Merkel-Vertrauter
Doch die Berufung Harbarths zunächst zum Vizepräsidenten und später zum Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts lassen die vom Grundgesetz garantierte Gewaltenteilung mehr und mehr verkommen. Denn der Jurist saß von 2009 bis November 2018 für die CDU im Deutschen Bundestag, war von Juni 2016 an stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und galt als enger Vertrauter der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (ebenfalls CDU). Wenn ein einflussreicher Politiker im Prinzip direkt nach seiner Tätigkeit im Bundestag ans höchste deutsche Gericht wechselt und sogar Vorsitzender des Ersten Senats wird, ist es schwer, von Unabhängigkeit der Justiz zu sprechen. Im Juni 2020 wurde der heute 50-Jährige dann Präsident des höchsten deutschen Gerichts. Damit dürfte Harbarth bereits juristisch über Dinge geurteilt haben, die er in seiner Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter politisch mitzuverantworten hat. Der Vorwurf liegt nahe, dass mit der Personalie Harbarth parteipolitische Postenschieberei betrieben wurde, um die Entscheidungen aus Karlsruhe, wo das BVerfG seinen Sitz hat, besser „unter Kontrolle“ zu haben.
Lässt sich die politische Vergangenheit des Präsidenten an den Urteilen des BVerfG ablesen?
Dass die Karlsruher Urteile seit Harbarths Präsidentschaft den politischen Entscheidungsträgern tatsächlich des Öfteren in die Karten gespielt haben dürften, lässt sich anhand einiger Beispiele belegen. Zunächst ist die Entscheidung zum vermeintlichen „Klimaschutz“ vom 24. März 2021 zu nennen, die den Vorgaben der damaligen Bundesregierung weitgehend entsprach und sogar politisch nützlich Verschärfungen einforderte.
Hinzu kommt ein erschreckender Umgang mit den Corona-Grundrechtseinschränkungen der Bürger sowie mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht, der für viele Grundrechtsexperten unverständlich war. Außerdem wird dem Bundesverfassungsgericht vorgeworfen, das Urteil zu Merkel im Fall „Wahl des Thüringer Ministerpräsidenten 2020“ verschleppt zu haben.
Weiterhin legte das Bundesverfassungsgericht unter Harbarth keine Transparenz an den Tag, als die Richter des 1. und 2. Senats im Juni 2021 zum vertraulichen Abendessen ins Kanzleramt eingeladen wurden. Zur Erinnerung: In dieser Phase wurde politisch enorm über Corona und Klimaschutz gestritten.
Harbarths potenzielle Verstrickung in Cum-Ex-Geschäfte
Doch auch in der weiter zurückliegenden Vergangenheit des ehemaligen Bundestagsabgeordneten sind möglicherweise skandalöse Verstrickungen zu finden. Denn in seiner Zeit bei der Großkanzlei Shearman & Sterling LLP, die 2000 begann, wurden dort Cum-Ex-Modelle entwickelt. Unter Cum-Ex-Geschäften sind dubiose Finanzgeschäfte zu verstehen, mit denen Banken und Großinvestoren den deutschen Staat um einen zweistelligen Milliardenbetrag betrogen.
Ob Harbarth als Präsident des Bundesverfassungsgerichtes geeignet ist, darf also in Zweifel gezogen werden!