Recherchen eines deutschen Nachrichtenmagazins weisen darauf hin, dass neben Hessen, Bayern und Nordrhein-Westfalen nun auch der Bund sowie weitere Bundesländer überprüfen, inwiefern sie das umstrittene Polizei-Analysetool der US-Firma Palantir einsetzen. Die zugehörige Software wird von Datenschützern deutlich kritisiert und könnte dazu führen, dass noch mehr Daten der Bürger ausgewertet und u.a. auch an US-amerikanische Geheimdienste veräußert werden.
Grundsätzlich stellt das amerikanische Unternehmen Palantir Software-Plattformen her, die der Analyse und Evaluation von Massendaten dienen, die aus verschiedenen Datenquellen stammen. Das Programm, das für die hier thematisierten Gegebenheiten von Belang ist, basiert auf der Software „Gotham“ und verfolgt das Ziel der Zusammenführung von Informationen aus unterschiedlichen Datenbanken bei der Polizei.
Da die sogenannten „Mining-Programme“ eigenständig große Datenbestände begutachten, ihnen eine Struktur verleihen und etwa Zusammenhänge herstellen können, wird das Programm von Palantir als Unterstützung bei der Verbrechensbekämpfung gepriesen. Zeit und die Kapazität der Ermittler spielen hier eine gewichtige Rolle.
In einer diesbezüglichen Pressemitteilung des bayerischen Landeskriminalamts (LKA) ist beispielsweise zu lesen: „Unser Ziel ist, die Analysefähigkeit der Polizei zur Bekämpfung und Verfolgung der schweren und organisierten Kriminalität und des Terrorismus noch erfolgreicher und schneller zu machen.“ Dazu könnte „Gotham“ durch Auswertung von Daten einer Person, z.B. auch durch Begutachtung der Sozialen Netzwerke, ein Kontaktnetz einer verdächtigen Person erstellen.
Kommt die Palantir-Software bundesweit?
Eingesetzt wird die Analyse-Software bereits in Hessen und Nordrhein-Westfalen. Zudem sorgte das LKA Bayern im Frühjahr 2022 für die Unterzeichnung eines Rahmenvertrags mit der US-Firma zur Verwendung von VeRA (Verfahrensübergreifende Recherche und Analyse), wodurch jetzt alle Bundesländer und der Bund ermächtigt sind, die Software ohne weitere Ausschreibung zu erwerben.
In Baden-Württemberg, Bremen und Hamburg könnte es bald so weit sein: Während die beiden erstgenannten Länder die künftige Nutzung der Software prüfen, zeigt das LKA Hamburg ebenso Interesse. Das Mecklenburg-Vorpommersche Innenministerium schließt eine entsprechende Verwendung außerdem nicht aus.
Auch ein Einsatz der Analyse-Software auf Bundesebene ist möglich. Der Bund wird noch darüber entscheiden, ob etwa Bundespolizei und Zollkriminalamt mit der Software ausgestattet werden.
Harsche Kritik durch Datenschutzexperten
Doch Datenschützer schlagen in dem Zusammenhang Alarm: Jürgen Bering, Jurist und Datenschutzexperte bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte, merkt zunächst an, dass mit dem Rahmenvertrag, den er einen „Dammbruch“ nennt, die Marktposition Palantirs im deutschen Markt entscheidend gestärkt würde. Der Experte erklärt weiterhin: „Eigentlich sollen Vergabeverfahren sicherstellen, dass es einen Wettbewerb gibt und keine Abhängigkeiten entstehen. Hier haben wir eine Abhängigkeit der Behörden von Palantir, und die wird durch den Rahmenvertrag zementiert.“
Datenschützer: Software könnte Grundrechte der Bürger gefährden
Da es die Software von Palantir – wie das bayerische Innenministerium bestätigt – Beamten zusätzlich ermöglicht, z.B. auf Einwohnermeldedaten, Daten aus dem Waffenregister, Fluggastdaten oder Ermittlungsdokumente aus Internetrecherchen zugreifen zu können, sieht Bering durch das Verknüpfen von Daten ein Gefährdungspotenzial für die Grundrechte.
Der Jurist bemängelt, dass die Software tausende Datensätze verknüpfe, was auf Knopfdruck für die Etablierung des gläsernen Bürgers sorge. Bering diesbezüglich:
„Die Rechtsprechung sagt, derartige Software kann in besonderen Fällen eingesetzt werden. Etwa um besondere Gefahren abzuwenden. Es darf eben nicht sein, dass dieses System zum Standard wird und Polizei und Sicherheitsbehörden einfach so darauf zugreifen.“
Landesdatenschutzbeauftragter: „Ich halte den Einsatz eines Recherche- und Analysewerkzeugs wie VeRA für einen erheblichen Grundrechtseingriff.“
Kritik kommt des Weiteren von dem bayerischen Landesdatenschutzbeauftragten Thomas Petri, der eine fehlende Rechtsgrundlage für das Vorhaben erkennt. Ferner verdeutlicht der Datenschutzexperte: „Ich halte den Einsatz eines Recherche- und Analysewerkzeugs wie VeRA für einen erheblichen Grundrechtseingriff.“ Der Einsatz der Software übersteige die gewöhnliche Verwendung der bayerischen Polizeidatenbanken um Längen. Deshalb setzt sich Petri für eine gesetzliche Vereinbarung ein, „die klar festlegt, wann VeRA eingesetzt werden darf und wann nicht“.
Auch wenn das Innenministerium Bayerns dies ausschließt, wird außerdem befürchtet, dass sensible Polizeidaten durch dieses Prozedere bei Dritten – etwa bei US-Geheimdiensten – landen könnten. Was noch vor einiger Zeit als dystopisches Szenario galt, könnte schon bald ein weiterer Schritt in Richtung gläserner Bürger sein.