Eine vom Robert-Koch-Institut (RKI) in Auftrag gegebene Studie ist nun zu dem Ergebnis gekommen, dass während der Corona-Krise deutlich mehr Menschen an psychischen Krankheiten leiden als zuvor. Dies ist aus einem noch nicht veröffentlichten Bericht herauszulesen, auf den sich eine große deutsche Tageszeitung bezieht. Demnach liegt laut den Angaben ein sprunghafter Anstieg der Zahl der Erwachsenen in Deutschland mit depressiven Symptomen von neun auf zwölf Prozent vor.
12 Prozent der deutschen Erwachsenen haben depressive Symptomatik
Die Corona-Krise und mutmaßlich insbesondere die politischen Maßnahmen in dem Kontext haben laut einer RKI-Studie mit dem Titel „Psychische Gesundheit der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland während der COVID-19-Pandemie“ das negative Stimmungsbild vieler Deutschen verschärft. Die Gesundheitsbehörde spricht hinsichtlich der Beschwerden von „Niedergeschlagenheit, Schwermut oder Hoffnungslosigkeit“ und erkennt durch die Studie eine „ausgeprägte und möglicherweise erklärungsbedürftige Symptomatik.“ 12 Prozent der deutschen Erwachsenen sind an Depressionen o.Ä. erkrankt.
Im Fazit des RKI steht außerdem geschrieben: „Die Daten weisen auf eine Zunahme der Belastung durch depressive Symptome ab Oktober 2020 und ein weiter erhöhtes Belastungsniveau hin.“ Besonders schwer ist die Lage demzufolge bei Frauen und den 18-29-Jährigen. Aber auch bei den 30-44-Jährigen wurde ein deutlicher Anstieg wahrgenommen.
Auswirkungen der Corona-Maßnahmen haben bedeutenden Einfluss
Zurückzuführen ist der Anstieg an Erkrankungen wohl neben grundsätzlichen Sorgen aufgrund der Gesundheitskrise auf soziale und wirtschaftliche Folgen, die die politischen Maßnahmen mit sich brachten. Hier ist etwa in erster Linie die Isolationspflicht zu nennen, aber auch wirtschaftliche Ängste, Existenzbedrohungen, materielle Verluste, Einsamkeit und fehlende Perspektiven hatten einen Einfluss.
WHO: Depressionen und Angststörungen stiegen global um 25 Prozent
Schon die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hielt kürzlich in ihrem neusten Bericht über mentale Gesundheit fest, dass die Corona-Krise global zu einem starken Zuwachs an psychischen Krankheiten geführt hat. Den Angaben der Organisation zufolge kam es bereits im ersten Jahr der Gesundheitskrise zu einem weltweiten Anstieg von Menschen, die unter Angststörungen oder Depressionen leiden, von 25 Prozent. An einer solchen Problematik sind damit insgesamt fast eine Milliarde Menschen erkrankt. Inzwischen ist global sogar rund jedes fünfte Kind bzw. jeder fünfte Jugendliche psychisch krank.
Weitere Studien der letzten Monate decken diese Befunde, beispielsweise eine umfangreiche Langzeitstudie der Universität Bielefeld. Diese legen einen Zuwachs an Fällen mit Depressionen und Angstsymptomen nach dem zweiten sogenannten Lockdown, der im November 2020 begann, nahe.
Professor Ulrich Hegerl, Psychiater und Vorstandsvorsitzende der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, beurteilt die Umstände als „breite Demoralisierung.“ Besonders für Menschen, die schon vor der Corona-Krise unter psychischen Krankheiten litten, seien die politischen Einschränkungen „eine Katastrophe“ gewesen, so Hegerl weiter.
Psychiater: Lockdowns führten zu „immense[m] Leid“
Der Psychiater weist ferner überaus kritisch darauf hin, dass nach seinen Einschätzungen zwei Millionen Deutsche eine Verschlimmerung ihrer Depression erfahren mussten. Und: Kontaktbeschränkungen und Lockdowns hätten „immenses Leid und Tod verursacht. Suizidgedanken traten auf und nicht wenige berichteten sogar über Suizidversuche in den vorhergehenden sechs Monaten.“ Nicht vergessen werden dürfe, dass eine Depression eine schwere Krankheit sei, die die Lebenserwartung deutlich senke.
Einen maßgeblichen Grund für die Verschlechterung der Lage von Depressiven sieht Hegerl in der reduzierten Qualität von medizinischen Behandlungen. „Behandlungen wurden abgesagt, ambulante Angebote heruntergefahren“. Aufgrund der Maßnahmen sei zudem das Betreiben von Sport zurückgegangen, so der Experte.
Die Psychologin Lydia Dachs registriert ebenso einen „Trend hin zu Depressionen bei Jugendlichen“, den sie vor allem mit Zurückgezogenheit begründet. Hauptsächlich bei Mädchen kämen „Essstörungen und selbstverletzendes Verhalten“ hinzu.
Forderung nach Evaluation der Corona-Maßnahmen
Für Psychiater Hegerl ist es wegen der genannten Ergebnisse wichtig, die „’Nebenwirkungen‘ der Corona-Maßnahmen systematisch und vorausschauend zu erfassen“, um zu verhindern, dass diese einen größeren Schaden als Nutzen mit sich brächten. Gleichzeitig äußert er die Vermutung, dass die zuständigen Politiker an einer solchen Evaluation „nur gebremstes Interesse“ haben.
Bremst Lauterbach Bericht aus?
Die AfD drängt schon lange darauf, die negativen Konsequenzen der Corona-Maßnahmen ernster zu nehmen und zu evaluieren. Doch es hat den Anschein, als sehe Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) keine Notwendigkeit, entsprechend tätig zu werden. Schon im Januar hatte der 59-Jährige bestritten, dass es einen Zusammenhang zwischen den Corona-Maßnahmen und dem Zuwachs der psychischen Erkrankungen (besonders bei Kindern) gebe. Im April kam dann heraus, dass Lauterbach wohl die Evaluierung der Maßnahmen durch ein Expertengremium auszubremsen versuchte. Der hier thematisierte Bericht des RKI ist auch schon seit Anfang Mai fertig, doch eine Freigabe durch das Bundesgesundheitsministerium, das dafür zuständig ist, wurde noch nicht erteilt. Hält ihn der Gesundheitsminister zurück?