Buchtipp: EuropaPowerBrutal

Buchrezension: Europa Power Brutal

„Und wie ich das alles im Bruchteil einer Sekunde so rekapituliere, da sehe ich in den Gläsern irgendwie Europa funkeln.“

Man könnte eigentlich mal wieder was lesen. Eigentlich! So denkt man sich bisweilen, steht dann vor dem Bücherregal und weiß nicht so recht, wonach einem die Lust steht. Wir haben da einen Tipp für Sie!

Im örtlichen Buchhandel oder im Internet mangelt es nun wirklich nicht an einer ausreichenden Auswahl an Lesestoff. Neue Krimis, neue Kochbücher, Liebe und Sehnsucht, für jeden ist was dabei – außer: Man hat einfach keine Lust mehr auf den üblichen Einheitsbrei. Dann sieht es mau aus. Denn, wir kennen das, welches moderne Druckwerk kommt schon ohne ideologischen Überbau aus, der uns subtil erziehen will und dadurch die Lust an der Lektüre raubt? Klar, auch der alternative Buchmarkt bietet einiges an. Ob Sarrazins neuestes Statistikfeuerwerk, allerlei historische Aufarbeitungen oder dicke Strategie- und Theorieschinken. Alle stapeln sich bis an die Decke und irgendwie wird ja doch mehr geschrieben, als gelesen werden kann. Doch wo sich mal wieder amüsieren, wo ein fröhlich Lektürewerk hernehmen, das bezirzt und Zerstreuung bietet von der Enge des Corona-Alltags?

Genau das hat sich offenbar auch der Verlag JUNGEUROPA aus Dresden gefragt. Fernab von trockenem Zahlenwerk und theoretischem Appell ließen sie nun einen jungen Debütautoren von der Kette – und dessen Erstlingswerk sorgte im Sommer gleich für Furore innerhalb der nonkonformen Bücherwelt. „EuropaPowerbrutal“ heißt das Stück, dessen 1. Auflage nach nur drei Wochen bereits restlos ausverkauft war und nun in zweiter Auflage vorliegt.

Worum geht es in EuropaPowerBrutal?

Das ist eigentlich schnell erklärt: Ein junger Mann um die 30, der keinerlei politische oder gesellschaftliche Ansprüche mehr hegt und vom Leben allgemein nicht viel erwartet, verliert infolge einer durchzechten Nacht und allerlei Eskapaden auf einer Dienstreise seinen öden Job und kurz darauf auch seine ohnehin wenig liebenswerte Gattin in spe. Nun endgültig jedem festen Tagesablauf entronnen, entscheidet er sich dazu, einen scheinbar einfachen Job als Aushilfsjournalist bei einer Life-Style-Zeitschrift anzunehmen. Sein Auftrag: Eine lebendige Reportage über verschiedene nonkonforme (man könnte auch sagen: rechte) Gruppen und Gangs in Europa zu verfassen. Gemeinsam mit einem alten Schulfreund macht er sich auf die Reise.

Nun, das klingt erstmal unspektakulär und gewiss ist auch das Genre des „Roadtrips“, wie man neudeutsch sagen würde, kein unbekannter Handlungsrahmen. Und doch stellt man bereits auf den ersten Seiten fest, dass man es hier mit einem Werk zu tun hat, das man insbesondere in den alternativen Kreisen rund um die AfD und ihr geneigtes Umfeld in dieser Form noch nicht erlebt haben dürfte.

Mit einer ungeheuren Beobachtungsgabe nimmt uns der Protagonist mit auf diese höchst abenteuerliche Reise, die ihn quer durch ein verwegenes Europa führt. In die Niederrungen der Elendskneipen rund um den Kölner Dom, in die Unterwelten der französischen Stadt Lyon, hinein in die faszinierende Welt der Wiener Burschenschaften aber auch mitten hinein in das epische Gewusel der Ewigen Stadt in Rom.

All das macht so einen Spaß, kommt so unbeschwert daher, dass man das Buch kaum noch weglegen kann und es nach der letzten Seite gleich von vorne lesen muss, weil es einen so süchtig macht. Dieser Trip ist dabei so rau wie schön, so schonungslos wie ästhetisch. Er ist erfrischend politisch inkorrekt, dabei jedoch niemals zotig, indes so unglaublich witzig, dass man eigentlich gleich mitfahren will auf diese Fahrt, bei der weder Augen noch Kehle trocken bleiben.

Was ein Ritt, welch ein Spektakel also. »EuropaPowerbrutal« ist eine zeitgenössische Flaneurs- und Szenegeschichte, ja, ein Reiseroman, irgendwo, nur anders. Dieses Feuerwerk an Anekdotenreichtum und sprachlicher Versiertheit, das dieser junge Autor uns hier einfach mal so vor den Latz knallt, sollte man sich nicht entgehen lassen.

EuropaPowerbrutal von John Hoewer
360 Seiten
ISBN: 978-3948145125
Jungeuropa Verlag, Dresden 2021 (2. Auflage)
Bestellbar unter Jungeuropa.de sowie bei fast allen Buchhändlern.

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